Pandadiplomatie im Klassenzimmer

Als im Sommer 2017 die Augen auf Deutschland als Gastgeber des G20 Gipfels gerichtet waren, fanden sich zahlreiche Fernsehkameras weniger auf das Hamburger Kongresszentrum, sondern den Berliner Zoo gerichtet. Sie filmten die dort eben erst eingetroffenen Pandabären Meng Meng und Jiao Qing, die, basierend auf der chinesischen Pandadiplomatie, als Botschafter für die wirtschaftliche Zusammenarbeit beider Länder in die Hauptstadt gekommen waren. Die Bundesregierung verhandelte derweil mit Peking großvolumige Handelsverträge aus. Dies war nicht das erste Mal in der deutsch-chinesischen Geschichte, dass diese Tiere zu Objekten von diplomatischen Verhandlungen geworden waren. 1980 hatte Bundeskanzler Helmut Schmidt nach erfolgreichen Gesprächen mit China die beiden Pandas Bao Bao und Tjen Tjen für den Berliner Zoo gewinnen können. Zur Zeit des Kalten Krieges waren die Tiere Gold wert. 1958 hatte das Pandaweibchen Chi Chi mehrere Wochen im Ost-Berliner Tierpark auf ihrem Weg nach London verbracht, der damit einen auch politisch bedeutsamen Prestige-Erfolg gegenüber der Konkurrenz im Westen verbuchen konnte. Tiere, so zeigen diese zeithistorischen Episoden, sind Objekte historischer Narration, sind sie aber auch historische Akteure?

Über diese Frage wird innerhalb der historischen Zunft seit einigen Jahren durchaus gestritten und auch wenn die Debatte darum, ob Tiere nun handlungsmächtig oder nur wirkmächtig sind längst nicht beendet ist, so lässt sich doch festhalten, dass das noch junge Feld der Tiergeschichte sich wachsender Beliebtheit erfreut. Dass die Themen der Mensch-Tier-Beziehungen zudem zentrale Aspekte des Geschichtsunterrichts berühren und dass man über die Befassung mit Tieren neue didaktische Zugänge zu Themen entwickeln kann, die auf den ersten Blick menschenzentriert scheinen, ist bislang in der Geschichtsdidaktik nur am Rande aufgegriffen worden. Eine Didaktik der Mensch-Tier-Beziehungen liegt bisher nicht vor. In unserem Aufsatz leuchten Mieke Roscher und ich daher einerseits das Potential aus, welches die Tiergeschichte für den Geschichtsunterricht bietet, anderseits blättern wir die geschichtswissenschaftlichen Perspektiven auf die Erforschung von Tieren auf und stellen ihre geschichtsdidaktischen Implikationen vor.

Hübner, Andreas und Mieke Roscher. „Pandadiplomatie im Klassenraum: Mensch-Tier-Beziehungen als geschichtsdidaktische Aufgabe“, Zeitschrift für Geschichtsdidaktik 18 (2019): 112–128. (peer reviewed) Download

Joseph P. Horner Memorial Library Fellowship

In seiner Herbstausgabe berichtet der „Neue Pennsylvanische Staatsbote“ über meinen Forschungsaufenthalt an der Joseph P. Horner Memorial Library in Philadelphia. Im Sommer dieses Jahres hatte ich hier als Horner Library Fellow die Gelegenheit, die Archivstudien für mein aktuelles Projekt, das sich mit der Situation der Deutschamerikaner in den USA während des Ersten Weltkrieges befasst, voranzutreiben. Neben der Horner Library nutzte ich auch die örtlichen Ressourcen der University of Pennsylvania und erkundete eher abgelegene Archive, wie die Schwenkfelder Library in Pennsburg, Pennsylvania, oder das Mennonite Heritage Center in Harleysville, ebenfalls Pennyslvania.

Philadelphia, Heimat von Charles John Hexamer und der National German American Alliance (NGAA), stellte, so viel zeigen die nun beginnenden Analysen der Quellen, einen Knotenpunkt deutsch-amerikanischer Aktivitäten während der Neutralitäts- und Kriegsphase in den Jahren 1914 bis 1918 dar. Drei Aspekte stechen auf den ersten Blick hervor: Erstens kooperierten die Deutschamerikaner der Stadt umfangreich und nachhaltig mit iro-amerikanischen Interessenvertretern und -gruppen. Zweitens nahmen Frauenhilfsvereine eine zentrale Funktion bei der Organisation und Durchführung pro-deutscher Aktivitäten ein. Drittens gelang es den Deutschamerikanern von Philadelphia trotz des Krieges ihre lokalen Interessen weiterhin erfolgreich zu vertreten. Diese ersten Befunde gilt es nun in einem Aufsatz dezidiert zu kontextualisieren, zu analysieren und zu diskutieren. Mein Dank gilt der German Society of Pennsylvania und dem Deutschen Historischen Institut in Washington, DC; die beiden Institutionen machten meinen Forschungsaufenthalt durch ihre Förderung überhaupt erst möglich.

 

Die Ordnung der Wahrheiten

(frei nach Michel F., resp. WerkstattGeschichte „Die Wahrheit der Geschichte“)

a) Wahrheiten, die dem Kaiser gehören,
b) rechtskräftige Wahrheiten,
c) gezähmte,
d) Pflichten,
e) nackte Wahrheiten,
f) Märchen, Mythen, Sagen, Schwänke,
g) die niemand wahrhaben will,
h) in diese Gruppierung gehörige,
i) die sich wie Tolle gebärden,
k) die im feinen Antlitz der wissenschaftlichen Erkenntnis daherkommen,
l) und so weiter,
m) die von Weitem wie Lügen aussehen,
n) Amen.

Thinking Machines

Im Jahr 1613 stellte der Engländer Richard Brathwaite eine kühne Frage: “What art thou O Man and from whence hadst thou thy beginning?” Eine schnelle Antwort hatte der Autor diverser Satiren und Humoresken nicht parat, wähnte sich einer Lösung aber nahe: Er hatte den weisesten Computer aller Zeiten „gelesen“. Indes eine Antwort auf seine Frage sollte er von diesem Gerät zu Lebzeiten nicht erhalten, einen neuen Begriff hatte Brathwaite aber sehr wohl geprägt: Der „Computer“ war geboren.

Über 400 Jahre später widmet das Museum of Modern Art in New York City den „elektronischen Datenverarbeitungsanlagen“ nun eine Ausstellung, die mit fast 100 Objekten die Geschichte des Computer Zeitalters nacherzählt. Für Le Mile Magazine durfte ich die exzellent kuratierte Schau besprechen und dabei den modernen Ursprung der Thinking Machines erkunden. Liebhaber können sich in New York auf Ausstellungsstücke aus den Produktschmieden von Olivetti, IBM, DIAB und Apple freuen. Eine Antwort auf den Ursprung des „Menschen“ sollten sie aber nicht erwarten.

Hübner, Andreas. „Of the Mortality of Man: Thinking Machines at the Museum of Modern Art“, Le Mile Magazine 24 (2018): 42–45.

Die Côte des Allemands

Eine Migrationsgeschichte im Louisiana des 18. Jahrhunderts

»Tüchtig, arbeitsam und diszipliniert«, so präsentierten die französischen und spanischen Kolonialbeamten die »deutschen« Siedler Louisianas in ihren frühen Briefen und Journalen. In meinem aktuell erschienenen Band Die Côte des Allemands: Eine Migrationsgeschichte im Louisiana des 18. Jahrhunderts folge ich den Spuren dieser »Mustermigranten« des 18. Jahrhunderts, die nur wenige Meilen flussaufwärts von New Orleans am Mississippi eine neue Heimat fanden, – und biete zugleich eine Einführung in die frühe Geschichte Louisianas. Basierend auf Ansätzen der historischen Migrationsforschung und der Kulturgeschichte erkunde ich vor allem das Sprechen über die »Deutschen«, entschlüssele die kolonialen Diskurse um das Deutschsein und liefere damit auch einen Beitrag zu gegenwärtigen Debatten der Migrationspolitik.

Die Einleitung der Studie finden Sie auf der Webseite des Transcript-Verlages.

Hübner, Andreas. Die Côte des Allemands: Eine Migrationsgeschichte im Louisiana des 18. Jahrhunderts. Bielefeld: Transcript, 2017. (Rezensionen von Roland Spickermann. In: Louisiana History 62:3 (2021): 361-363; und von Brigitta L. Malm. In: Yearbook of German-American Studies 53 (2018): 211-214. Lektüreempfehlung von Ulrich Brömmling. In: Vier Viertel Kult: Vierteljahresschrift der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz 4 (2019): 23.)

Migration und Familie

Seit Längerem interessieren mich die Mechanismen der kolonialen Wissensproduktion. Dadurch ist im Rahmen meiner Studien zur Côte des Allemands auch der Themenkomplex „Kolonie, Kirche und Familie“ immer wieder ins Zentrum der Untersuchungen gerückt. Beim Blick in die Überlieferungen fiel mir stets die Einpassung sogenannter „deutscher“ Familien in die koloniale Wissensproduktion sowie in die kolonialen Machtbeziehungen ins Auge. Dabei wurde die Familie als universeller Referenzpunkt gesetzt, diese Setzung in der Forschung bisher aber kaum hinterfragt. Dies überrascht durchaus, stellte sich die der Kolonialisierung Louisianas zugrunde liegende Migration doch zunächst als Familien-zersetzendes Projekt dar: Unzählige Akteure kamen auf dem Weg nach Louisiana ums Leben oder starben nach ihrer Ankunft an den Stränden des Golfs von Mexiko aufgrund mangelnder Versorgung. Familien wurden zerrissen und teils komplett zu Grabe getragen. Erst nach einer Phase der Konsolidierung entstanden nach 1721 neue Familien und Familiennetzwerke, die auch die Machtbeziehungen der jungen Kolonie widerspiegelten.

Der Repräsentation und Inszenierung dieser Machtbeziehungen in Kirchenregistern bin ich nun in einem Beitrag nachgegangen, der im Oktober 2017 in einem Sammelband mit dem Titel Migration und Familie erschienen ist. Herausgegeben von Meike Baader, Wolfgang Gippert und Petra Götte vereint der Band historische und aktuelle Analysen des Schwerpunktes „Familie und Migration“ und basiert auf einer Tagung des Arbeitskreises „Historische Familienforschung“ aus dem Januar 2015.

Der Beitrag ist als Pdf-Datei verfügbar.

Hübner, Andreas. „Kolonie und Familie: Die Kirchenregister der Côte des Allemands und die Ausbildung familialer Netzwerke im Louisiana des 18. Jahrhunderts“, in Migration und Familie: Historische und aktuelle Analysen, hrsg. v. Meike Baader, Wolfgang Gippert und Petra Götte. Wiesbaden: VS Springer, 2017. 21–38.

Irving Penn – Earthly Bodies

„Vierteljährlich“ grüßt das Murmeltier: Auch im April ist wieder eine neue Ausgabe von Le Mile Magazine erschienen. In der aktuellen Ausgabe stelle ich den U.S.-amerikanischen Fotografen Irving Penn vor, dessen ausdrucksvolle Portrait-Fotografien derzeit in einer Retrospektive im Metropolitan Museum of Art, New York, zu sehen sind. Dem bereits zu Lebenszeiten gefeierten Perfektionisten gelang es solch Persönlichkeiten wie Truman Capote, Joe Louis und Pablo Picasso für seine Arbeiten zu gewinnen und sie in seinen sorgsam komponierten „Corner Portraits“ in völlig neues Licht zu „rücken“.

Obschon in den 1940er, 1950er und 1960er Jahren schnell zum Klassiker der Modewelt und des Kunstbetriebes aufgestiegen, war Penns Werdegang wenig vorbestimmt. Im Jahr 1917 als Kind einer russisch-jüdischen Migrantenfamilie in Plainfield, New Jersey, geboren, hatte Penn an der heutigen Philadelphia University of Arts studiert und zunächst eine Karriere als Maler ins Auge gefasst. Bei einer Reise nach Mittel- und Südamerika entpuppte er sich jedoch allenfalls als mittelmäßig begabt. Penn stürzte in eine Sinneskrise. Aus dieser befreite ihn erst Alexander Liberman, der Art Director der Vogue, der den Brodovitch Schüler im Jahr 1943 dazu überredete, die Disziplin zu wechseln und sich fortan der Fotografie zu widmen. Irving Penn sollte den Wechsel nie bereuen: Schon seine erste Farbfotografie fand sich auf dem Cover der Vogue wieder.

Wer Irving Penn in New York verpasst hat, darf sich trotzdem freuen: den Kuratoren zufolge soll die Ausstellung demnächst nach Berlin und München reisen.

Hübner, Andreas. „Irving Penn: Earthly Bodies“. Le Mile Magazine 23 (2017): 10–15.

Shreveport, New Orleans, Philadelphia

Im Frühjahr 2017 bin ich für mehrere Tagungen und Diskussionsforen in die Vereinigten Staaten aufgebrochen, um die vorläufigen Ergebnisse meines aktuellen Forschungsprojektes vorzustellen und mit einschlägigen HistorikerInnen zu debattieren. Zur Erinnerung: Derzeit untersuche ich die Erfahrungen der deutschamerikanischen Gemeinschaft von New Orleans während des Ersten Weltkrieges. In Shreveport, Louisiana, hielt ich hierzu im Rahmen der Jahrestagung der Louisiana Historical Association ebenso einen Vortrag wie auf dem Symposium der Society for German American Studies, das in diesem Jahr in Philadelphia stattfand. In New Orleans bot mir Mark Kuss von der University of Holy Cross darüber hinaus die Chance, meine Thesen und Argumentationen der interessierten Studierendenschaft und Öffentlichkeit zu präsentieren. In Philadelphia konnte ich den Aufenthalt auch dafür nutzen, um in der dortigen Horner Library der German Society of Pennsylvania weiteres Material für mein Projekt zusammenzutragen (siehe Abb.).

Nach einer ersten Sichtung der Materialien ist dabei festzuhalten, dass sich die Erfahrungen der Deutschamerikaner von New Orleans deutlich von denen anderer Deutschamerikaner in den USA unterschieden, die Deutschamerikaner von New Orleans beispielsweise weniger massiven Repressionen ausgesetzt waren, als dies von der Forschung für weite Teile der Vereinigten Staaten nachgewiesen wurde. In den nächsten Monaten gilt es nun, die Resultate der Präsentationen, Diskussionen und Debatten in einem Artikel zu verknüpfen.

Le Mile °21

LE MILE ISSUE 21 CoverMit dem Januar 2017 ist die neue Ausgabe des LE MILE Magazins erschienen. Pünktlich zu ihrem fünfjährigen Jubiläum bietet LE MILE damit wieder einen Überblick über das kontemporäre Geschehen in der Mode- und Kunstwelt. Während meine KollegInnen für die aktuelle Ausgabe u.a. die gegenwärtige Ausstellung im Solomon R. Guggenheim Museum vorstellen und ein Interview mit dem Helmut Lange Schüler Kostas Murkudis führten, durfte ich eine Schau des Fotografen Michael Kenna besprechen. Kenna, dessen Bilder derzeit in der Robert Mann Gallery, New York, zu sehen sind, lebt und arbeitet nach Stationen und Ausstellungen in London, Paris und Tokyo mittlerweile in Seattle. Im Kontrast zu vielen seiner Mitstreiter begeht Kenna den Prozess des Fotografierens weiterhin ausschließlich analog und stellt der oftmals diffusen Polyphonie digitaler Bildwelten eine puristische Bildsprache entgegen. Er fordert somit die globale Verdichtung und Beschleunigung der Moderne heraus und propagiert stattdessen eine Form von innerer Kontemplation. Dabei wohnt Kennas Fotografien ein wohltuendes und kreatives Sichversenken inne.

Bis zum 04. Februar bleiben die Türen der Robert Mann Gallery im Herzen Chelseas, New York, geöffnet und Michael Kennas Fotografien der interessierten Öffentlichkeit zugänglich.

Hübner, Andreas. „Michael Kenna: Visual Haiku Poems“. Le Mile Magazine 21 (2017): 38–41.

Family Networks in Colonial Louisiana

20170113_122002Basierend auf einem Vortrag aus dem Jahr 2014 hat das Yearbook of German-American Studies kürzlich einen peer reviewten Artikel von mir veröffentlicht, der die Ausbildung von Familiennetzwerken im kolonialen Louisiana erkundet. Durch die Analyse von Tauf-, Heirats- und Sterbeeinträgen in Kirchenregistern wird in dem Aufsatz nachgewiesen, wie sich die kolonialen Akteure religiöse Akte und Institutionen aneigneten, um familiale Netzwerke im Louisiana des 18. Jahrhunderts zu produzieren und zu inszenieren. Der Artikel fokussiert dabei vor allem das Zusammenspiel von kapuzinischen Geistlichen und so genannten „petits habitants“, einfachen Siedlern, im Aufbau von Verwandtschaftsbeziehungen. Konzeptuell stellt der Beitrag damit eine Hälfte meines Versuches dar, die Anfertigung von Kirchenregistern im Rahmen einer generellen, kolonialen Wissensproduktion zu verstehen. Die zweite Hälfte dieses Versuches, in dessen Vordergrund die Aspekte „Migration – Familie – Macht“ stehen, wird ebenfalls in Kürze in einem Sammelband des Arbeitskreises für Historische Familienforschung erscheinen.

Hübner, Andreas. „Family Networks in Colonial Louisiana: Evidence from Eighteenth-Century Parish Records“. Yearbook of German-American Studies 50 (2015): 59–73. (peer reviewed)