Multispecies Futures – Jenseits anthropozentrischer Bildungsperspektiven

Angesichts des raschen Wachstums und der Institutionalisierung der Human Animal Studies in den letzten Jahren ist es einigermaßen überraschend, dass nur wenige Publikationen praktische und theoretische Ansätze für die Lehre in diesem inter- und transdisziplinären Bereich vorgeschlagen haben. Mit meinen Kolleg:innen Maria Moss und Micha Edlich habe ich mit dieses Desiderats nun angenommen. In elf originellen Beiträgen aus den Sozial- und Geisteswissenschaften sowie einem Epilog der ökofeministischen Kritikerin Greta Gaard reagiert unser Band – Multispecies Futures – auf die Nachfrage nach pädagogischen Ansätzen für Vermittlung der Human Animal Studies und für den Umgang mit den Umweltkrisen unserer Zeit.

Die Beiträge zeigen auf, wie Lernende – ausgestattet mit Schlüsselkonzepten wie Agency oder Relationalität – Empathie und ethische Wertschätzung für die nichtmenschliche Welt und Tiere entwickeln können. Indem die Beiträge den Lernenden dabei das Handwerkszeug mitgeben, um den menschlichen Exzeptionalismus in seinen verschiedenen Formen und die damit verbundenen Muster der Beherrschung und Ausbeutung innerhalb und außerhalb des Klassenzimmers in Frage zu stellen, sollen diese Interventionen auch zu einer dringend notwendigen Veränderung nicht nur der heutigen Bildungssysteme, sondern der Gesellschaft insgesamt beitragen.

Der Band ist dank einer Open Access Förderung frei zugänglich: https://doi.org/10.52007/9783958084025

[Hrsg. mit Maria Moss und Micha Gerrit Philipp Edlich] Multispecies Futures: New Approaches to Teaching Human-Animal Studies. Berlin: Neofelis, 2022. Open Access. Peer Reviewed.

Interspezies Lernen

Mitte Juli 2021 hat die Theologin Simone Horstmann im Transcript Verlag einen Band herausgegeben, der unter dem Titel Interspezies Lernen die Implementierung von Tierschutz- und Tierrechtsfragen in die Lehrpläne, Tagesordnungen und Schwerpunktsetzungen der unterschiedlichsten Bildungseinrichtungen und -initiativen erkundet und hinterfragt. Die Beiträger:innen des Bandes, zu denen ich erfreulicherweise gehören durfte, diskutieren dementsprechend bildungstheoretische Grundlinien ihrer jeweiligen Fächer für ein Lernen, das konsequent speziesübergreifend gedacht ist. In meinem Beitrag untersuche ich die Rolle von nichtmenschlichen Tieren innerhalb der historischen Tierschutz- wie Tierrechtsbildung und plädiere dabei für eine Berücksichtigung tierlicher Geschichtsfähigkeit aus: Das heißt, dass ich in Anschluss an Autor:innen wie Donna Haraway nicht nur festhalte, dass auch nichtmenschliche Tiere eine Geschichte haben und dass es eine gemeinsame Geschichte, eine Co-History von Menschen und anderen Tieren gibt, sondern darüber hinaus dafür eintrete, dass diese Einsichten auch in den schulischen Lernprozessen stärkere Berücksichtigung finden.

Der Band ist dank einer Open Access Regelung frei zugänglich: https://doi.org/10.1515/9783839455227

„‚Mißhandele und mißbrauche nie ein Tier!‘: Tierschutz- und Tierrechtsbildung in geschichtsdidaktischer Perspektive“, in: Interspezies Lernen: Grundlinien interdisziplinärer Tierschutz- und Tierrechtsbildung, hrsg. v. Simone Horstmann. Bielefeld: Transcript, 2021. 89–106. Open Access. Reviewed.

Pandadiplomatie im Klassenzimmer

Als im Sommer 2017 die Augen auf Deutschland als Gastgeber des G20 Gipfels gerichtet waren, fanden sich zahlreiche Fernsehkameras weniger auf das Hamburger Kongresszentrum, sondern den Berliner Zoo gerichtet. Sie filmten die dort eben erst eingetroffenen Pandabären Meng Meng und Jiao Qing, die, basierend auf der chinesischen Pandadiplomatie, als Botschafter für die wirtschaftliche Zusammenarbeit beider Länder in die Hauptstadt gekommen waren. Die Bundesregierung verhandelte derweil mit Peking großvolumige Handelsverträge aus. Dies war nicht das erste Mal in der deutsch-chinesischen Geschichte, dass diese Tiere zu Objekten von diplomatischen Verhandlungen geworden waren. 1980 hatte Bundeskanzler Helmut Schmidt nach erfolgreichen Gesprächen mit China die beiden Pandas Bao Bao und Tjen Tjen für den Berliner Zoo gewinnen können. Zur Zeit des Kalten Krieges waren die Tiere Gold wert. 1958 hatte das Pandaweibchen Chi Chi mehrere Wochen im Ost-Berliner Tierpark auf ihrem Weg nach London verbracht, der damit einen auch politisch bedeutsamen Prestige-Erfolg gegenüber der Konkurrenz im Westen verbuchen konnte. Tiere, so zeigen diese zeithistorischen Episoden, sind Objekte historischer Narration, sind sie aber auch historische Akteure?

Über diese Frage wird innerhalb der historischen Zunft seit einigen Jahren durchaus gestritten und auch wenn die Debatte darum, ob Tiere nun handlungsmächtig oder nur wirkmächtig sind längst nicht beendet ist, so lässt sich doch festhalten, dass das noch junge Feld der Tiergeschichte sich wachsender Beliebtheit erfreut. Dass die Themen der Mensch-Tier-Beziehungen zudem zentrale Aspekte des Geschichtsunterrichts berühren und dass man über die Befassung mit Tieren neue didaktische Zugänge zu Themen entwickeln kann, die auf den ersten Blick menschenzentriert scheinen, ist bislang in der Geschichtsdidaktik nur am Rande aufgegriffen worden. Eine Didaktik der Mensch-Tier-Beziehungen liegt bisher nicht vor. In unserem Aufsatz leuchten Mieke Roscher und ich daher einerseits das Potential aus, welches die Tiergeschichte für den Geschichtsunterricht bietet, anderseits blättern wir die geschichtswissenschaftlichen Perspektiven auf die Erforschung von Tieren auf und stellen ihre geschichtsdidaktischen Implikationen vor.

Hübner, Andreas und Mieke Roscher. „Pandadiplomatie im Klassenraum: Mensch-Tier-Beziehungen als geschichtsdidaktische Aufgabe“, Zeitschrift für Geschichtsdidaktik 18 (2019): 112–128. (peer reviewed) Download